Trambino Fr 22 März 2013, 17:27
Hallo Christian und alle,
es gibt unterschiedliche Ansichten über ein Modell. Für einige, die sich hier geäußert haben, ist es nur brauchbar, wenn es gute Fahreigenschaften hat. Ich bin (nicht nur) Sammler. Für einen Briefmarkensammler ist es kein Kriterium, ob eine Marke noch zum Verschicken eines Briefes brauchbar ist. Beschädigungen zu reparieren wäre im äußersten Fall als Fälschung sogar strafbar. Fehldrucke von Briefmarken erzielen hohe Sammlerpreise. Sammler von Gemälden oder anderen Kunstgegenständen sind oft hoch angesehen. Mit altem Spielzeug, z. B. Vorkriegsblech von Märklin und vielen weiteren Herstellern, ist das nicht viel anders. Ich sammle Nachbildungen von Straßenbahnen aller Art in jeder Größe, als Spielzeug und als Modell, und mein Kriterium für den Erwerb eines Stückes ist, ob ich es schön oder interessant finde (und ob ich es mir leisten kann und will). Wenn es dann auch noch gut läuft, ist das sozusagen eine Zugabe. Ich wollte diesen Liliput-KSW-Zug so wie er ist für meine Sammlung haben, weil ich damit das Phänomen Zinkpest an einem noch relativ jungen Modell zeigen kann. Wenn der Zerfall weiter fortschreitet, werde ich wieder Fotos davon machen.
Ich habe weder Begabung noch Lust zum Basteln. Wenn ich ein gutes zeitgemäßes H0-Modell eines KSW will, bestelle ich das von Halling:
http://www.halling.at/themes/kategorie/detail.php?artikelid=315
Hallings KSW - Beiwagen (Wien hatte keine) haben dann auch im Gegensatz zu Liliput vorbildgetreue Gehäuse ohne Scheinwerfer, Fahrschalterklappen usw.
Nun zum Vorbild. Der KSW war, wie der Name Kriegsstraßenbahnwagen sagt, eine während des zweiten Weltkriegs entwickelte Entfeinerung des nicht in Serie gegangenen Einheitsstraßenbahnwagen ESW von Ende der 30er Jahre. Der 1943 gebaute Prototyp kam nach mehrmonatiger Erprobung auf dem Berliner Streckennetz zur Woltersdorfer Straßenbahn und ist dort noch vorhanden:
http://www.woltersdorfer-strassenbahn.com/ws_hp/index_2.php?rub=1&s_rub=11&id=9&liste=2
Wer alle dortigen historischen Straßenbahnen in Aktion erleben will, sollte zur 100-Jahr-Feier 17.-19.05.2013 nach Woltersdorf kommen. Ein Muß für jeden Straßenbahnfreund!
Alle KSW sind komplett neu gebaut worden und besitzen das gleiche geschwungene Fahrgestell. Ein "Aufbau im Bobenkrieg beschädigter StraBas" wurde in Ost- wie Westdeutschland als Aufbauwagen bezeichnet, manche hatten Ähnlichkeiten mit dem KSW, es wurden sehr unterschiedliche Fahrgestelle verwendet. Das H0-Modell von KATO stellt zum Beispiel das Fahrgestell der Hannoverschen Aufbauwagen dar, das vom dortigen Typ "Stahlwagen" von 1927 stammt. Vergleiche die Tw 178 und 239 auf
http://www.strassenbahn-hannover.de/vermietung-oldtimer.html
Ich habe mal dem Leiter der Eisenbahnabteilung im Deutschen Technikmuseum Berlin Alfred Gottwald ein etwa 60 Jahre altes Handarbeitsmodell eines Triebwagens gezeigt, das ich gerne für meine Zwecke umbauen lassen wollte, und nach seiner Meinung dazu gefragt. Er meinte, er kenne kein Vorbild dazu, und ich dürfe es bei Bedarf abstauben. Etliche Lokomotiven werden dort genau in dem Zustand konserviert, wie sie das Museum erreichten. Ich schreibe dies als Beispiel für unterschiedliche Auffassungen darüber, was bewahrenswert ist, und plädiere für Respekt gegenüber abweichenden Ansichten.
Trambino